Bei der Beurteilung der Wirtschaftslage wird aktuell insbesondere auf die im Oktober 2024 gegenüber Oktober 2016 gestiegene Zahl der Insolvenzen verwiesen.
Glaube nur einer Statistik, die du selbst gefälscht hast. OK gefälscht ist ein hartes Wort – ich kann aber durch Hervorhebung beliebiger Zahlen und Vergleiche oder Weglassen von relevanten Informationen jede Statistik für meine Zwecke auslegen. Es lohnt sich also immer, mal selber einen Blick auf das Basis-Zahlenmaterial zu werfen. Als Quelle eignen sich hier das Statistische Bundesamt Startseite – Statistisches Bundesamt und für die Wirtschaftszahlen das unabhängige Institut für Mittelstandsforschung IfM Bonn – Institut für Mittelstandsforschung Bonn.
Zunächst sollte man sich eines bewusst machen: Das Unternehmen schließen ist ein vollkommen normaler Vorgang. Die Gründe dafür sind vielfältig und führen nicht immer dazu, dass das Geschäft an sich verloren geht. Neben Insolvenzen sind andere Gründe zum Beispiel Fusionen, Geschäftsaufgaben aus persönlichen Gründen, Geänderte Geschäftsfelder, fehlende Nachfolge.
Indikator Unternehmensschließungen
Im Übrigen führt nicht jede Insolvenz tatsächlich zu einer Unternehmensschließung und Geschäftsaufgabe. Oft genug ist mit einer Neuausrichtung des Geschäftes und der Finanzierung eine Fortführung des Unternehmens möglich. Insofern ist nicht die Zahl der Insolvenzen sondern die tatsächliche Zahl der Unternehmensschließungen der wesentliche Indikator.
Indikator Unternehmensgründungen
Ein zweiter Indikator, den man neben die Zahl der Unternehmensschließungen halten muss, ist die Zahl der Unternehmensgründungen.
Resumee: Noch geht es der Wirtschaft in Summe gut
Vereinfacht gesagt kann man sagen: Solange die Zahl der Unternehmensgründungen über der Zahl der Unternehmensschließungen liegt steht der Wirtschaftsstandort Deutschland noch nicht so schlecht da.
Tatsächlich ist es so, dass die Zahl der Existenzgründungen (wie die Zahl der Unternehmensschließungen) die letzten Jahre gesunken ist, sie liegt aber immer noch (bis Ende des 1. Halbjahres 2024) über der Zahl der Unternehmensschließungen. Insbesondere in Ostdeutschland ist die Zahl der Betriebsgründungen im 1. HJ 2024 gegenüber dem 1. HJ 2023 relevant gestiegen. Der Deutschen Wirtschaft geht es also objektiv gar nicht so schlecht, wie es durch die Wirtschaftsverbände oft dargestellt wird.
Betrachtet man das Saldo von Gründungen und Schließungen über die letzten zehn Jahre, war die Zahl der Schließungen bis ins Jahr 2019 übrigens immer höher, als die Zahl der Gründungen.
Bewertung des Anstiegs der Insolvenzen
Sowohl das IfM wie auch das statistische Bundesamt bewerten den aktuellen Anstieg der Insolvenzen als nicht überraschend und erwartet. Was sind die Gründe dafür?
Auswirkungen der Corona-Pandemie
Während der Corona-Pandemie wurden diverse Maßnahmen ergriffen, um die folgen der Pandemie für Unternehmen abzumildern. So wurde die Insolvenzantragspflicht in mehreren Stufen ausgesetzt und es gab finanzielle Hilfen für Unternehmen um die Krise zu überbrücken. Diese Maßnahmen haben dazu geführt, dass die Zahl der Insolvenzen in dieser Zeit stark gesunken ist. Inzwischen sind viele dieser Maßnahmen ausgelaufen und Unternehmen, die diese Zeit auch ohne Pandemie nicht überlebt von den Maßnahmen aber auch profitiert haben müssen jetzt vermehrt schließen.
Strukturwandel
Die zwingend notwendige Neuausrichtung unserer globalen Gesellschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit führt zwangsläufig zu einer Veränderung der Märkte. Produkte, die vor 10 Jahren noch nachgefragt wurden verschwinden vom Markt und dafür entsteht neue Nachfrage nach neuen Produkten. Das betrifft auch und im besonderen unsere Schlüsselindustrien allen voran die Automobilindustrie. Wer sich in der unternehmerischen Vorausschau die letzten Jahre nicht darauf eingestellt hat, kann mit dem sich beschleunigenden Tempo dieses Strukturwandels heute nicht mehr mithalten.





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