Faktencheck Energiewende

Neben der Migration ist die Energiepolitik das am meisten aufgeheizte Thema.

Unabhängig von der Frage, ob der Klimawandel menschlich Verursacht ist, welchen Einfluß unsere CO2 Emissionen auf die Erderwärmung haben und wie der Einfluß auf Naturkatastrophen, Meeresspiegel und so weiter ist. Eine möglichst schnelle und umfassende Energiewende ist höchst geboten.

Die Positionen der Parteien

Die Alternative für Deutschland (AfD) hat in ihrem Parteiprogramm zur Bundestagswahl keine Maßnahmen zum Klimaschutz vorgesehen.ie Partei bestreitet den menschlichen Einfluss auf den Klimawandel und lehnt daher Klimaschutzmaßnahmen ab. Stattdessen fordert sie den Ausstieg Deutschlands aus dem Pariser Klimaabkommen und spricht sich gegen die Reduzierung von Emissionen aus.
Im Gegensatz dazu erkennen die anderen zur Wahl stehenden Parteien den menschlichen Einfluss auf den Klimawandel an und haben verschiedene Klimaschutzmaßnahmen in ihren Wahlprogrammen verankert. Allerdings variieren die vorgeschlagenen Maßnahmen erheblich in Umfang und Ambition. Studien zufolge reichen die Programme der Parteien jedoch nicht aus, um die im Klimaschutzgesetz festgelegten Ziele für das Jahr 2030 vollständig zu erreichen.

Energiepolitik ist Sicherheitspolitik

Klima- und Energiepolitik ist ein zentrales sicherheitspolitisches Thema. Abgesehen von der notwendigen maximalen Dezentralisierung unserer Energieerzeugung, sind die fossilen Energieträge Öl, Erdgas und Kohle endlich.

Legen wir ein stetiges Wachstum der Weltwirtschaft um 1,5% zu Grunde geht als letzter Energieträger die Kohle im besten Fall spätestens im Jahr 2100 zu Ende. In der nachfolgenden Tabelle habe ich eine Schätzung der Reichweite der fossilen Energieträger zusammengestellt.

EnergieträgerReichweite
(heutiger Verbrauch)
Reichweite
(bei 1,5 % jährlichem Wachstum)
Erdöl~50 Jahre (bis 2075)~30–35 Jahre (bis 2055–2060)
Erdgas~60 Jahre (bis 2085)~35–40 Jahre (bis 2065–2070)
Kohle~100–150 Jahre (bis 2175)~60–80 Jahre (bis 2100)
Schätzung der Reichweite fossiler Energieträger

Quellen: BP Energy Review, IEA World Energy Outlook, EIA International Energy Outlook

Die Auswirkungen auf unsere Sicherheit bekommen wir heute schon zu spüren. Ungeachtet der vordergründigen Motive für die Konflikte und militärischen Auseinandersetzungen in Europa und der Welt, spielt der Kampf um den Zugang zu Ressourcen und den Absatz von Ressourcen eine wesentliche Rolle. Russland versucht sich mit dem Ukraine Krieg einerseits Ressourcen und gleichzeitig Absatzmärkte zu sichern. Die jüngsten Äußerungen aus den USA mit imperialistischen Ambitionen zielen in dieselbe Richtung. Es ist zu Erwarten, dass die Häufigkeit und Intensität dieser Konflikte zunehmen wird.

Ist eine CO2 neutrale Energieversorgung zu erreichen?

Neben der Energieerzeugung selber sind die Bereiche Industrie (ca. 23 %), Verkehr (ca. 20 %) und Gebäude (ca. 15%) sind neben der Stromerzeugung (ca. 30 %) die größten Emittenten von CO2.

Welche Maßnahmen sind für eine vollständige Dekarbonisierung zu ergreifen?

Die drei großen Maßnahmenbereiche (Industrie, Verkehr & Gebäude) decken also rund 60 % der gesamten CO₂-Emissionen in Deutschland ab. Mit den folgenden Maßnahmen können diese CO2 neutral aufgestellt werden. Die Energiewirtschaft, die indirekt alle diese Bereiche beeinflusst, muss gleichzeitig auf 100 % erneuerbare Energien umgestellt werden, um die volle Wirkung der Elektrifizierung in Industrie, Verkehr und Gebäude zu erreichen.

Dekarbonisierung der Industrie

  • Ersetzung fossiler Brennstoffe durch grünen Wasserstoff (Stahl, Chemie, Zementindustrie)
  • CCS & CCU-Technologien zur Abscheidung von unvermeidbaren CO₂-Emissionen
  • Elektrifizierung von Industrieprozessen mit erneuerbarem Strom
  • Kreislaufwirtschaft & Recycling zur Reduktion von energieintensiver Produktion

Elektrifizierung des Verkehrs

  • Umstieg auf Elektroautos & LKWs mit erneuerbarem Strom
  • Massiver Ausbau des ÖPNV & Bahnnetzes als Alternative zum Individualverkehr
  • Synthetische E-Fuels & Wasserstoff für Flugzeuge & Schiffe
  • Autofreie Städte & Förderung von Rad- und Fußgängerverkehr

Erneuerbare Energien & Gebäudewende

  • Komplette Umstellung auf Wärmepumpen, Solarthermie & Geothermie
  • Sanierung & Dämmung von Altbauten zur Reduktion des Energieverbrauchs
  • Umstellung auf CO₂-neutrale Baumaterialien (z. B. Holz, Recycling-Zement)
  • Fernwärmenetze mit Abwärmenutzung aus Industrie & Kraftwerken

Welchen Einfluss hat das auf unseren Stromverbrauch?

Der Stromverbrauch in Deutschland lag in 2023 insgesamt bei ca. 500 TWh. Bei einer vollständigen Dekarbonisierung von Industrie, Verkehr und Gebäuden müssen wir mit einem erheblich steigenden Stromverbrauch rechnen. Der zukünftige Stromverbrauch verteilt sich abgeschätzt wir folgt:

BereichMaßnahmeZusatzbedarf/Jahr min.Zusatzbedarf /Jahr max.
IndustrieGesamt200 TWh250 TWh
Grüner Wasserstoff für die Industrie150 TWh200 TWh
Elektrifizierung von Industrieprozessen50 TWh50 TWh
VerkehrGesamt200 TWh300 TWh
Elektroautos & LKWs120 TWh150 TWh
Schienenverkehr 30 TWh50 TWh
E-Fuels & Wasserstoff für Flugzeuge & Schiffe50 TWh100 TWh
GebäudeGesamt120 TWH150 TWh
Elektrifizierung der Heizungen (Wärmepumpen statt Gas/Öl)100 TWh100 TWh
Zusätzlicher Strombedarf für energieeffiziente Gebäude20 TWh50 TWh
Gesamt520 TWh700 TWh
Abschätzung des Strombedarfs für eine vollständige Dekarbonisierung in Deutschland

Bei einer vollständigen Dekarbonisierung liegt unser Stromverbrauch in Summe bei 1.020 TWh bis 1.200 TWh pro Jahr.


Wie kann dieser Strom klimaneutral erzeugt werden?

Ich lasse bei der nachfolgenden Betrachtung die Kernenergie bewusst außen vor. Abgesehen von der politischen Akzeptanz und der bis heute ungeklärten Frage der Endlagerung ausgebrannter Kernbrennstäbe, wäre eine nennenswerte Leistung frühestens im Jahr 2040 verfügbar.

Photovoltaik

Laut Studien (z. B. Fraunhofer ISE, Agora Energiewende) könnten insgesamt ca. 1.000 GW Strom pro Jahr allein aus der Installation von PV-Anlagen auf allen dafür geeigneten Dachflächen erzeugt werden.

FlächeMögliche PV-LeistungJährliche Stromproduktion
Wohngebäude200–300 GW200–300 TWh
Gewerbe & Industrie500–600 GW500–600 TWh
Öffentliche Gebäude100–150 GW100–150 TWh
Landwirtschaftliche Gebäude100–150 GW100–150 TWh
In Summe theoretisch möglich900-1.200 GW900-1.200 TWh
Potenzial Dachflächenausbau PV-Anlagen in Deutschland

Bis 2040 wären davon unter Berücksichtigung von Denkmalschutz, Statik, Wirtschaftlichkeit etwa 400–600 GW realisierbar. Unter Berücksichtigung eines Kapazitätsfaktors von 10 % für die PV-Analgen wäre ohne Berücksichtigung von Speichertechnologien mindestens ein jährlicher Beitrag zur Stromproduktion in Höhe von 400 TWh möglich.

Zusätzlich zu Dachflächen können in Deutschland Freiflächen zur Erzeugung von PV-Strom genutzt werden.

FlächeMögliche PV-LeistungJährliche Stromproduktion
Landwirtschaftliche Randflächen, Brachen500–800 GW500–800 TWh
Konversionsflächen (ehem. Industrie, Bergbau, Militär)100–200 GW100–200 TWh
Autobahn- und Schienenrandstreifen50–100 GW50–100 TWh
Agri-PV (über Feldern, duale Nutzung)200–300 GW200–300 TWh
Floating-PV (Tagebaurestseen, Stauseen)50–100 GW50–100 TWh
In Summe theoretisch möglich900-1.500 GW900-1.500 TWh
Potenzial Freiflächenausbau PV-Anlagen in Deutschland

Bis 2040 wären davon realistisch etwa 400–600 GW realisierbar. Unter Berücksichtigung eines Kapazitätsfaktors von 10% für die PV-Analgen wäre ohne Berücksichtigung von Speichertechnologien mindestens ein jährlicher Beitrag zur Stromproduktion in Höhe von 400 TWh möglich.

Fazit: Allein mit der Ausnutzung aller möglichen Standorte für Photovoltaikanlagen wäre eine jährliche Stromproduktion von mindestens 800 TWh in Deutschland möglich.

Windkraft

Ohne Berücksichtigung von Realisierungshemmnissen wie Naturschutz, Akzeptanz in der Bevölkerung und planerische Restriktionen könnten bis 300 GW installierte Leistung aus On-Shore Windkraft in Deutschland realisiert werden. Als praktisch realisierbar können wir von 250 GW ausgehen. Bei einem Kapazitätsfaktor von 30% für On-Shore Windkraft entspricht dies einer möglichen Stromproduktion von 650 TWh/Jahr.

Zusätzlich sind in Deutschland 60 GW installierte Leistung in Off-Shore Windparks realisierbar. Der Kapazitätsfaktor für Off-Shore Windparks liegt etwas höher bei 45%. Damit beträgt der mögliche jährliche Beitrag zur Stromproduktion ca. 230 TWh.

Zusammenfassung

Insgesamt beträgt das bis 2040 realisierbare Potential für die jährliche Stromproduktion aus Photovoltaik und Windkraft in Deutschland konservativ geschätzt mindestens 1.680 TWh. Das ist das 1,4 fache des geschätzten Strombedarfs bei vollständiger Dekarbonisierung bis 2045.

Speichertechnologie

Die CO₂-neutrale Energieerzeugung durch Photovoltaik und Windkraft liefert zwar emissionsfreien Strom, ist jedoch naturgemäß intermittierend – das heißt, die Erzeugung stimmt zeitlich nicht immer mit dem Verbrauch überein. Speichertechnologien spielen daher eine entscheidende Rolle, um diese erneuerbaren Energien effizient und zuverlässig in das Energiesystem zu integrieren.

Aus heutiger Sicht ist eine Speicherkapazität von 20 – 40 TWh notwendig, um kurzfristige und insbesondere saisonale Schwankungen der Stromerzeugung zukünftig auszugleichen.

Realistisch sind heute Batteriespeicher mit einer Kapazität von bis zu 50 GWh welche für kurzfristige Schwankungen bis zu 6 h ausgleichen könnten. Über Power-to-Gas Ansätze (insbesondere über Wasserstoffspeicher) können heute bis zu 10 TWh Speicherkapazität realisiert werden.

Flankierende Maßnahmen

Intelligenter Netzausbau / Dezentralisierung

Zentrale Energieerzeugung mit langen Übertragungswegen bedeutet hohe Verluste beim Transport. Neben einer höheren Resilienz gegen externe Einflüsse bedeutet eine Dezentralisierung der Stromerzeugung kürzere Übertragungswege und damit geringere Verluste im Netz. Gleichzeitig nimmt die permanent über höhere Spannungsebenen auszutauschende Energie deutlich ab. Das kann bei dann zu groß dimensionierten Übertragungsnetzen die Netzverluste noch erhöhen. Hier ist im Netzausbau deutliches Umdenken notwendig.

Intelligente Netzsteuerung

Die intelligente Netzsteuerung hat zwei Aspekte:

  1. Durch die Dezentralisierung von Stromerzeugung und Verbrauch wird es schwieriger Spannung und Frequenz in den Netzen stabil zu halten. Hier wird es z.B. notwendig die Windkraftanlagen und die Wechselrichter der PV-Anlagen zu virtuellen Kraftwerken zusammenzuschalten und die Erzeugung von Wirk- und Blindleistung über solche Schwarmkraftwerke zu steuern.
  2. Der intelligenten Netzsteuerung kommt aber auch durch die zentrale intelligente Steuerung von vielen Verbrauchern (Klimaanlagen, Heizungen, Ladestationen für E-Autos, …) auch in Gebäuden eine wesentliche Aufgabe im Ausgleich zwischen Stromerzeugung und Stromverbrauch zu.

Flexibilisierung des Stromverbrauchs in der Industrie

Die Stromproduktion aus Photovoltaik und Windkraft lässt sich heute über die Wettermodelle sehr gut mehrere Tage im voraus prognostizieren. Eine an die Verfügbarkeit von Strom angepasste Produktion in der Industrie kann die Notwendigkeit von Speichertechnologie durch einen angebotsorientierten Stromverbrauch stark reduzieren.

Das setzt voraus, dass Produktions- und Lieferketten (z.B. erhöhte Lagerhaltung) aber auch Arbeitszeitmodelle flexibilisiert und entsprechend angepasst werden.

Aufklärungen Verhaltensänderung in der Bevölkerung

Ein nicht unwesentlicher Faktor wird es sein, dass wir durch verstärkte Aufklärung der Bevölkerung für einen verantwortungsbewussten Umgang mit der verfügbaren Energie und Verständnis für die notwendige Flexibilisierung im Verbrauch sorgen.

Fazit

Der Strombedarf wird bei vollständiger Dekarbonisierung massiv auf rund 1.200 TWh pro Jahr steigen. Mit einem schnellen Ausbau erneuerbarer Energien und Speichertechnologien ist eine klimaneutrale Stromversorgung in Deutschland jedoch bis 2045 möglich. Flankiert werden muss dies durch Maßnahmen in Netzausbau und Netzsteuerung, Flexibilisierung der Produktion- und Lieferketten in der Industrie und Aufklärung der Bevölkerung.

Eine Antwort zu „Faktencheck Energiewende“

  1. Avatar von unblocked baseball games
    unblocked baseball games

    The article provides a detailed and informative overview of Germanys transition to renewable energy, highlighting both challenges and solutions. I found the breakdown of sectors and the potential of solar and wind power particularly insightful. The emphasis on storage and smart grids is crucial for a successful decarbonization. Great read!

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